Ich möchte hier die wichtigsten Stationen meiner langen Geschichte beschreiben und was dazu beigetragen hat, dass ICH endlich im Leben angekommen bin.
Diese Geschichte ist die Grundlage für die Entstehung dieser Seite. Vielleicht kann ich mit meinen Erfahrungen dazu beitragen, "Betroffenen" den Mut zu geben, den vielleicht schon begonnenen Weg weiterzugehen und Partner*innen, Familienangehörigen, Freunden, Bekannten, Kolleg*innen und Arbeitgebern einen Einblick zu geben, was es bedeutet, Trans* zu sein.
Meine Kindheit & Schulzeit
Meine ersten Berührungen mit Frauenkleidung hatte ich im Alter von ca. 10 Jahren. Zu Fasching oder Karneval wollte ich am liebsten als Mädchen gekleidet gehen. Ich traute mich aber nur selten, es zu erwähnen oder sogar zu tun. In der Schule fühlte ich mich bei den Mädchen am wohlsten und hatte auch keine "typischen" Jungsinteressen. Ich war insgesamt sehr zurückhaltend und schüchtern. Ein unvergessliches Ereignis war eine Theateraufführung in der 7. Klasse der Theater AG - Schneewittchen! Das weiße Kleid der Darstellerin ging mir nicht mehr aus dem Kopf und hat mich bis heute begleitet. Während dieser Zeit war mir selber überhaupt nicht bewusst, dass ich "anders" sein könnte.
Ehe & Partnerschaft
Schon während meiner ersten Beziehung habe ich heimlich Frauenkleidung getragen. Die Angst, ertappt zu werden, war riesig und die Scham, davon zu erzählen, war zu groß. Vor der Ehe hatte ich mich dann trotz allem bei meiner Frau geoutet. Wir waren allerdings viel zu jung, um das irgendwie einzuordnen und zu erkennen, was dahinter steckte. Während unserer 25 gemeinsamen Jahre haben wir versucht, meine Leidenschaft in die Beziehung zu integrieren. Für alle Außenstehenden haben wir stets ein Geheimnis daraus gemacht, d.h. ständiges Lügen und Ausreden finden wurden zum belastenden Alltag.
Über die Jahre wurde mein Verlangen nach weiblicher Kleidung immer größer und es gab mir auch immer mehr ein gutes Gefühl. Die Stunden als Frau waren eine sehr entspannende Auszeit vom Alltag.
Anfangs war es für mich zuhause im geschützten Rahmen völlig ausreichend. Später kam die Lust, auch mal so auszugehen und Gleichgesinnte zu treffen. Dies führte dann irgendwann zu ersten Problemen in der Ehe. Meine Partnerin und ich hatten auch psychologische Unterstützung und Beratung und haben wirklich alles versucht, um einen gemeinsamen Weg zu finden.
Das zweimalige Wegwerfen aller weiblichen Gegenstände in meinem Kleiderschrank waren ein Versuch, die Frau in mir zu eliminieren. Jedoch ohne Erfolg. Es dauerte beide Male kein halbes Jahr, bis das Verlangen nach Frauenkleidung wieder kam. Dies führte letztendlich dann auch zur Trennung.
Zwei weitere Beziehungen gingen dann auch wegen "Laura" in die Brüche. Es war alles sehr schmerzhaft, aber ich habe dabei gelernt, zu mir zu stehen und mich nicht mehr zu "verbiegen".
Zeit für mich
Nach diesen teils sehr emotionalen und kräftezehrenden Jahren entschied ich, mir erstmal Zeit für mich zu nehmen. Professionelle psychologische Unterstützung und ein kleiner auserwählter Freundeskreis haben mich dabei begleitet und mir die Kraft und den Mut gegeben, einen Weg für mich zu finden.
Eines war aber immer da: Das tägliche Vor-Dem-Spiegel-Stehen und nicht zu wissen, wer man(n) ist!
Letztendlich wurde mir aber klar, dass ich mich als Frau wohler fühlte. Es musste also einen Weg geben! An meinem fünfzigsten Geburtstag 2022 habe ich mich dafür entschieden, meinen Weg als Frau weiterzugehen.
Outing bei den Kindern und in der Familie
Das Outing bei meinen beiden Kindern (10 & 14 Jahre) hatte ich sehr lange vorbereitet. Bücher, Gespräche mit Psychologen und die Unterstützung durch die Familienberatung waren u.a. die Grundlage für die mehr als positive Reaktion meiner Kinder auf den Satz "Papa ist manchmal auch eine Frau...".
Für Eltern und Geschwister ist es normalerweise am schwierigsten damit umzugehen, auch in meinem Fall. Hier kann es alleine die Zeit bringen und die Erkenntnis, dass ich als Mensch dieselbe bin wie früher, nur in einer anderen "Hülle". Alle sind aber sehr bemüht.
Outing beim Arbeitgeber
Ein Newsletter der PRIDE-Gruppe meines Arbeitgebers hatte mich motiviert, eine E-mail zu schreiben und mich als Transgender vorzustellen. Sehr viele motivierende Gespräche mit vertrauten Kolleg*innen, die Unterstützung durch meine Vorgesetzten und den Verantwortlichen aus den Bereichen Personalabteilung und IT gaben mir die Sicherheit und das Vertrauen einen Arbeitgeber zu haben, der das Thema LGBTQ tatsächlich lebt und hinter mir steht.
Ich habe daraufhin alle Kunden in zahlreichen persönlichen Gesprächen mit ins Boot genommen. Die Reaktionen waren durchweg überwältigend und haben mir den Mut gegeben, nach einem Jahr Vorbereitung vollständig den Schritt ins Berufsleben zu gehen.
Outing in meinem Wohnort
Tolle Gespräche mit Bekannten in meiner Gemeinde haben mich auch hier ermutigt, den ersten Schritt in die Öffentlichkeit zu gehen. Sie haben mich hier über Monate begleitet und mir das Gefühl gegeben, dass ich nicht in einer Großstadt untertauchen muss, sondern in dem kleinen Ort bleiben kann, in dem ich auch aufgewachsen bin.
Outing als DJane & Pianistin
Eine meiner großen Leidenschaften ist die Musik. Auch hier habe ich es mit vielen Gesprächen im Vorfeld geschafft, den Schritt auf die Bühne zu wagen und wurde mit durchweg positiven Reaktionen belohnt! Bei Auftritten und Engagements bei Konzerten, Festen und Hochzeiten gehe ich sehr offen mit meiner Transidentität um.
Was war letztendlich der Schlüssel zum Erfolg?
Mir ist sehr bewusst, dass jede Geschichte und jeder Mensch ganz individuell ist. Auch die Rahmenbedingungen sind immer ganz unterschiedlich. Ich möchte euch hier schreiben, was in meinem Fall der Schlüssel zum erfolgreichen Outing war:
Und an dieser Stelle wird es endlich Zeit, mich bei allen zu bedanken, die dazu beigetragen haben, dass ich es bis hierher geschafft habe!
Wie geht es weiter?
Als einzige körperliche Veränderung habe ich eine Bartentfernung mit Laser begonnen. Sonstige angleichende Maßnahmen habe ich nicht geplant.
Auch wenn ich regelmäßig als "Herr Schaible" angesprochen werde, habe ich nicht vor, meine Stimme angleichen zu lassen oder wieder Perücke zu tragen, um noch femininer zu wirken. Das bin nicht ICH.
Ich hoffe und warte auf das neue Selbstbestimmungsgesetz, um meinen Vornamen und mein Geschlecht anzupassen.
Mein Wunsch ist es, dass ich mit meiner Webseite und meinem Angebot vielen "Betroffenen" helfen kann. Ich freue mich über eure Nachrichten, Kommentare und Anregungen.
Ein monatliches Treffen / Stammtisch ist in Planung, meldet euch sehr gerne bei Interesse.
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